Wahrheit und Liebe

Wahrheit und Liebe

24.09.2015 / Geistliches Wort / Monsignore Ortwin Gebauer
 

Die Wahrheit zog traurig durch die Lande. „Die Menschen haben Sehnsucht nach mir, sie suchen die Wahrheit. Aber, wenn ich dann komme, haben sie Angst und fürchten die Wahrheit. Ich bin so nackt und die Leute flüchten sich in ihre Häuser, wenn ich durch die Straßen gehe.“

Eines Tages traf die Wahrheit die Liebe. Sie war wie ein buntes warmes Kleid und die Leute liefen ihr nach und luden sie zu sich in ihre Häuser ein. Die Liebe sah die Wahrheit so traurig und verbittert stehe und sprach sie an: „ Sage mir, gute Freundin Wahrheit, warum bist du so betrübt?“ Die Wahrheit antwortete der Liebe: „ Ach, es geht mir nicht gut. Ich bin alt, und die Leute wollen mich nicht in ihr Leben lassen.“ „ Nicht weil du alt bist, mögen dich die Leute nicht leiden. Ich bin auch sehr alt, und die Menschen lieben mich immer noch. Ich verrate dir ein Geheimnis. Du bist ihnen unheimlich, weil du so nackt bist. Kleide dich mit meiner Wärme und Farbenpacht. Lege um deinen Schatz der Wahrheit den Mantel der Liebe und die Menschen werden dich willkommen heißen. Die nackte Wahrheit ist für sie ebenso fruchtbar wie eine unehrliche Liebe. Wir beide brauchen einander. Denn eine aufrichtige Liebe und eine liebevolle Wahrheit sind die Quellen des Lebens und der Freude.“

Die Wahrheit befolgte den Rat der Liebe und legte sich die warmen Kleider der Liebe um. Seitdem sind sie beide bei den Menschen willkommen. Das ist die Not unter den Menschen: es gibt leider so viel Wahrheit ohne Liebe und so viel Liebe ohne Wahrheit.

Monsignore Ortwin Gebauer