Gott kommt in unsere Welt – als Mensch – als Bruder

Geistliches Wort von Monsignore Ortwin Gebauer

Gott kommt in unsere Welt – als Mensch – als Bruder

1. Gott kommt in unsere Welt aus eigener Initiative.
Nicht als ob wir ihn geholt hätten – durch unsere Erwartungen, durch unsere Hoffnungen: Er selbst tut den ersten Schritt auf uns zu. Er macht sich in seinem Sohn zu einem nahen Gott für uns: Er ist unser Vater. Wir können mit weihnachtlicher Freude und Gewissheit sagen, dass wir seine Kinder sind, des allmächtigen und heiligen Gottes Kinder. Ist das keine Überraschung?
Diese Vater-Nähe Gottes zeigt sich uns nun aber nicht zuerst in umständlichen Gottesbeweisen aus der Schöpfung oder der Geschichte sondern

2. Er selbst gibt uns das Zeichen.
Das Kommen seines Sohnes – in der weihnachtlichen Ankunft als Mensch. Gott gibt kein Gastspiel hier bei uns in der Verkleidung unserer Menschlichkeit, er geht nicht auf Tournee durch unsere Welt, um uns huldvoll von Balkonen aus zuzuwinken und sich beklatschen zu lassen. Nein: der Ernst seiner Liebe geht weiter: Er wird uns Gefährte, einer von uns.
Kann die Anpassung Gottes weiter gehen? Gibt es einen „ menschenfreundlicheren Gott“ als den menschgewordenen? In diesem Kind hat sich Gott endgültig zum „Gott mit uns“ gemacht (Mt.1,23: vgl. Dt 31,7f)
Kann er uns noch überraschender seine Liebe zeigen?
Nun redet dieser Weihnachtsbote, diese Kind in der Krippe, nicht nur von der Vor-Liebe Gottes für uns, sondern er ist einfach die Zu-Sage des Vaters an uns:

3. Er ist unser Bruder.
Das ist der Höhepunkt aller Weihnachtsüberraschungen: Gott sagt in diesem Kind Ja und Amen zu uns Menschen. Damit wird das Mensch-Sein zum Ort seiner Offenbarung, zum Medium seiner Selbsterschließung. Aus der Bundes-Nähe Jahwes wird heute die Bruder-Nähe Gottes in diesem Jesus von Nazareth (Ex 3,14; MT 28.20). Das ist unser unüberbietbares Weihnachtsgeschenk.
Wo ist der „abwesende Gott“, wenn sein Sohn als Kind in der Krippe liegt? Ist mit dem Weihnachts- Geschehnis die Suche nach Gott ans Ziel gekommen? Ja und nein: Gott ist da und nicht da, als Mit-Mensch da, als Gott verborgen. So bleibt die paradoxe Spannung unseres Glaubens bestehen: das adventliche Noch-Nicht und das weihnachtliche Jetzt-Schon: das Hier-Sein Gottes in der Verborgenheit des Bruders und das Kommen in der offenbaren Herrlichkeit als Vollender. Aber mit dem Tag der Jesus-Geburt vor 2000 Jahren lässt uns Gott nicht mehr los, und wir können ihn nicht mehr verlieren. Er lässt sich nicht mehr aus unserer Welt hinausdrängen, und wir können uns vor ihn nicht mehr verbergen. Seine Treue hat uns in diesem Kind ein unverlierbares Pfand gegeben: den neuen Bruder Christus. Dieses überraschende Weihnachtsgeschenk an uns, der Bruder Christus, hat unsere Advents- Erwartungen und Hoffnungen bei weitem übertroffen. Wir sind reicher beschenkt worden, als wir es uns erträumen konnten.
Kann man diese Freude für sich behalten?
Sollen wir sie nicht weitergeben? Wollen wir sei nicht teilen, nicht meitteilen? Wenigstens in einem Weihnachtswunsch?

Frohe und gesegnete Weihnachten